Auslegung von Flanschverbindungen aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) für die chemische Industrie

14235 BG

Um die Grenzen der betrieblichen Einsatzbedingungen für Flansch­verbindungen aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) in chemischen Anlagen zu erweitern, sollen Verbund-Dichtungen auf der Basis von PTFE die bisher eingesetzten Dichtungen auf der Basis von Gummi ersetzen. Die Praxis-Erfahrungen in der chemischen Industrie zeigen, dass mit den bisher verfügbaren Dichtungen auf der Basis von PTFE eine Auslegung z.B. nach AD 2000-Merkblatt N1 "Druckbehälter aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK)" mit den dort angegebenen Sicherheitsbeiwerten und Werkstoffabminderungsfaktoren (Größenordnung 10) in vielen Fällen nicht möglich ist

Um eine realistische und beanspruchungsgerechte Auslegung von GFK-Flanschverbindungen zu erhalten, bieten sich folgende Wege an:

  1. Abbau von Konservativitäten bei der Auslegung nach AD 2000-Merkblatt N1. Dies kann über eine Kategorisierung des Spannungszustandes mit unterschiedlichen und nach Kategorien abgestuften Sicherheitsbeiwerten erreicht werden.
  2. Entwicklung von speziellen Dichtungen auf Basis von PTFE für den Einsatz in GFK-Flanschverbindungen, die eine möglichst geringe Mindesteinbaupressung für die geforderte Dichtheit bedingen.
  3. Konstruktive, gestaltungs- und fertigungstechnische Optimierung von GFK-Flanschverbindungen mittels eines ganzheitlichen Optimierungsansatzes auf dessen Grundlage ein Regelwerk, das alle Aspekte des Systems "GFK-Flanschverbindung" berücksichtigt, entwickelt werden kann.

Messtechnische Untersuchung und Auslegung von GFK-Flanschverbindungen

Zur messtechnischen Untersuchung der Losflansche sowie Bunde wurden Stauchversuche in einer Prüfpresse durchgeführt. Im Hinblick auf realistische Randbedingungen und Aussagekräftige Ergebnisse wurde der Prüfaufbau im Vergleich zu den genormten Versuchen gemäß DIN 16966 sowie DIN 54813 der Beanspruchung in der Flanschverbindung angepasst. Als Ergebnisse werden die Bruchlast und die Steifigkeit der Bauteile bei Raumtemperatur und der Betriebstemperatur erhalten. Damit kann in Verbindung mit einer Sicherheitsbewertung eine bauteilspezifische Auslegung nach den bestehenden Regelwerken erfolgen.

Mit den im Rahmen der messtechnischen Untersuchung der Flanschverbindung und aus der numerischen Simulation gewonnenen Erkenntnissen zur Beanspruchung des Losflansches, wurde ein analytisches Berechnungskonzept für den Losflansch entwickelt, welches im Vergleich zu den bestehenden Regelwerken dessen schraubenkraftabhängige Beanspruchung in Form einer Umfangsspannung sowie dessen Verformungsverhalten nachweislich besser beschreibt. Die bestehenden Regelwerke unterschätzen die Spannung im Bauteil zum Teil deutlich.

Da das Berechnungskonzept die Spannungen an der Losflanschoberseite zwischen den Schrauben abbildet, kann ein Bauteilversagen an anderer Stelle nicht erfasst werden. Deshalb müssen zwei Szenarien unterschieden werden:

  1. Losflansch versagt im Stauchversuch an der Flanschoberseite zwischen den Schrauben
    Das Berechnungskonzept ist in Verbindung mit den diskutieren Sicherheiten anwendbar. Zur Berechnung der Flanschverbindung kann die gefundene Formulierung die analytische Beschreibung des Verhaltens von Losflanschen in den bestehenden Regelwerken ersetzen.
  2. Losflansch versagt an anderer Stelle
    Damit kann das Berechnungskonzept nicht angewendet werden. Alternativ können die maximale Last und die Steifigkeiten im Stauchversuch ermittelt werden.

Die Dichtungsprüfung nach DIN EN 13555 an verschiedenen Dichtungen auf der Basis von PTFE verdeutlicht die Eignung eines Teils der untersuchten Dichtungen in Flanschverbindungen aus GFK. Diese Dichtungen halten das Leckageratenkriterium der TA Luft unter den Bedingungen in GFK-Flanschverbindungen ein. Die im Prüfstand ermittelte Schraubenkraftrelaxation wird nicht durch die viskosen Eigenschaften und das Rückfederungsverhalten der PTFE-Dichtungen verursacht.

Werkstoffcharakterisierung und Optimierung

Der untersuchte Flanschtyp ist ein Pressteil aus SMC (Sheet Molding Compound), ein Wirrfasermaterial mit 25 bis 50 mm langen Fasern. Das Material wurde am PuK umfassend untersucht.

Aus dem Ausgangsmaterial wurden Platten gepresst, an denen Zug- und Biegeprüfungen sowie Lang- und Kurzeitkriechversuche durchgeführt wurden. Da in Veraschungsversuchen eine dreidimensionale wellenförmige Faserorientierung beobachtet wurde, wurde auch der Einfluss einer solchen Faserverteilung untersucht.

Zur Anwendung von Optimierungsalgorithmen wurden parametrisierte Finite Elemente Modelle erstellt, die es ermöglichen Varianten der Flanschverbindung mit unterschiedlichen Materialeigenschaften und Geometrien zu berechnen.

Um das Optimierungspotenzial des Materials und des Bauteils zu untersuchen, wurden zusätzlich mit trockenen Endlosglasfasermatten verstärkte Proben geprüft. Außerdem wurden Flansche mit modifiziertem SMC-Zuschnitt und erhöhtem Fasergehalt gefertigt und geprüft. Der modifizierte Zuschnitt führt zu einer glatteren Faserorientierung und so zu einer erhöhten Festigkeit, im Kriechverhalten ergibt sich dadurch keine Verbesserung. Auch der erhöhte Faservolumengehalt durch mehr trockene Matten verbessert das Kriechverhalten nicht, vermutlich ist dies auf Lufteinschlüsse zurückzuführen.

Ein Prototypenflansch in RTM-Technik wurde am PuK gefertigt. Dieser weist ein verbessertes Kriechverhalten und eine erhöhte Festigkeit auf. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Verwendung von gerichtetem Endlosfasergewebe.

Das Kriechverhalten des Dichtungswerkstoffes wurde mittels Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzip und der Einfluss von Füllstoffen und des Vorverpressens untersucht.

Auswertung der Untersuchungsergebnisse

Losflanschverbindungen aus GFK werden bisher nach AD2000-Merkblatt N1 berechnet. Die Berücksichtigung der spezifischen Werkstoffeigenschaften von GFK erfolgt mit Werkstoffabminderungsfaktoren, so dass bei der Auslegung eine Gesamtsicherheit von 10 verwendet werden muss, welche im Vergleich zu Erfahrungen aus dem Betrieb deutlich überhöht ist.

Die Untersuchung des mechanischen Verhaltens einer Flanschverbindung DN 50 verdeutlicht die falsche Betrachtungsweise einer Losflanschverbindung. Es konnte eine realistischere analytische Beschreibung des mechanischen Verhaltens gefunden werden, welche mit Messungen und Computersimulation übereinstimmt. Daraus kann ein neues Berechnungskonzept abgeleitet werden, welches in die bestehenden Regelwerke zur Auslegung von Flanschverbindungen integriert werden kann. Durch die realistische Betrachtung in Verbindung mit einem Nachweis durch eine Bauteilprüfung kann dabei auf die Werkstoffabminderungsfaktoren verzichtet werden, insofern das Kriechverhalten der GFK-Bauteile anderweitig berücksichtigt wird.

Eine Umfangreiche Untersuchung der Eigenschaften von Dichtungen auf Basis von PTFE nach DIN EN 13555 zeigt die Eignung der Dichtungen unter den Bedingungen in Flanschverbindungen mit Flanschen und Bunden aus GFK.

Die gezielte Umstellung des Fertigungsprozesses der GFK-Losflansche führt zu einer Erhöhung der maximal zulässigen Schraubenkräfte um den Faktor 1,5.

Ein im RTM-Verfahren hergestellter Prototyp weist eine um Faktor 2,5 gesteigerte zulässige Schraubenkraft und eine deutlich reduzierte Kriechneigung auf, so dass der Betrieb der Flanschverbindung bei 80°C eine auf lange Zeit dichte Verbindung gewährleistet.

Die Verwendung von Evolutionären Algorithmen zur Optimierung der Flanschbauteile liefert als Resultat eine Reihe von Flanschen und Bunden, welche im Vergleich zur Ausgangssituation deutlich bessere Eigenschaften besitzen.

Bearbeitet wurde das Forschungsthema von 02/05 bis 07/07 an der Universität Stuttgart, Institut für Materialprüfung, Werkstoffkunde und Festigkeitslehre (IMWF) (Pfaffenwaldring 32, 70569 Stuttgart, Tel.: 0711/6856-2578) unter Leitung von Dr. H. Kockelmann (Leiter der Forschungsstelle Prof. Dr. E. Roos), an der Technischen Universität Clausthal, Institut für Polymerwerkstoffe und Kunststofftechnik (Agricolastraße 6, 38678 Clausthal-Zellerfeld, Tel.: 05323/72-2549) unter Leitung von Dipl.-Math. L. Marks (Leiter der Forschungsstelle Professor Dr. G. Ziegmann) und an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Maschinenkonstruktion, Lehrstuhl für Maschinenbauinformatik (Universitätsplatz 2, 39106 Magdeburg, Tel.: 0391/67-18093) unter Leitung von Dipl.-Ing. K. Kittel (Leiter der Forschungsstelle Prof. Dr. S. Vajna).

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