Januar 2015

Ein Schweizer Taschenmesser für Synthesechemiker? Elektro-enzymatische Oxidationen

Haben Sie schon einmal ein größeres Flugzeug- oder Schiffsmodell zusammengebaut? Dann wissen Sie, wie sich ein Chemiker fühlt, der eine größere organische Struktur aufbauen will. Da müssen Bausteine in allen möglichen verwinkelten Ecken angebracht werden; leider stößt man dabei gegen Verstrebungen, die schon aufgebaut waren und jetzt wieder zusammenbrechen, das neue Bauteil ist außerdem lose, der Kleber klebt, aber nicht dort, wo er soll… Sie wissen schon.

Während beim Schiffsmodell meistens ein Klebstoff genügt, muss der Chemiker außerdem sehr unterschiedliche Methoden nutzen, um Bauteile zu „befestigen“. Eine der wichtigsten ist der Einsatz von Persäuren, um sauerstoffhaltige Gruppen aufzubauen. Zu den Zielmolekülen gehören Epoxide, Ester, Aldehyde und Ketone, die in allen möglichen Produkten vom Lack bis zum pharmazeutischen Wirkstoff gebraucht werden. [Abbildung einer Persäure]

Persäuren sind hochreaktiv – leider nicht nur dort, wo das gebraucht wird, sie können auch leicht explodieren und sind für die Umwelt problematisch. Deshalb sind alternative Methoden hoch willkommen. Eine davon entwickelt das DECHEMA-Forschungsinstitut im Rahmen eines Projekts der industriellen Gemeinschaftsforschung. Die Idee: Es wird nur soviel Persäure erzeugt, wie direkt wieder verbraucht wird, und das direkt dort, wo sie gebraucht wird („in situ“). Dafür werden bestimmte Enzyme aus der Gruppe der Hydrolasen eingesetzt. Hydrolasen dienen eigentlich vor allem dazu, Moleküle aufzuspalten. Unter geeigneten Bedingungen können sie jedoch auch eine ganze Reihe anderer Reaktionen katalysieren zum Beispiel die von Wasserstoffperoxid und einer organischen Säure zur Persäure. Damit das möglichst lange funktioniert, muss die Konzentration von Wasserstoffperoxid niedrig sein. Die Wissenschaftler erzeugen deshalb auch das Wasserstoffperoxid in situ mit Hilfe einer elektrochemischen Reaktion, also mit Hilfe von Strom.

Ziel des Projekts ist es, ein ganzes Reaktionssystem zu entwickeln: Geeignete Enzyme in einem geeigneten Reaktionsmedium mit passenden Elektroden im richtigen Reaktor. Mit einem solchen Verfahren könnte eine ganze Reihe von schwierigen Reaktionen umweltfreundlicher und genauer ablaufen, als es bisher der Fall ist. Der Werkzeugkasten des Synthesechemikers wäre um ein Multifunktionstool reicher.

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