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14.07.2020

Grenzübergreifende Infrastrukturen spielen eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung in der Industrie

Eine Untersuchung am Beispiel der Ammoniak-Produktion in dem Antwerpen-Rotterdam-Rhein-Ruhr-Gebiet

Die Forschungsinstitute EnergyVille/VITO (BE), DECHEMA (D), DVGW (D) und TNO (NL) haben in einem gemeinsamen Projekt technologische Optionen für die Defossilisierung der Ammoniaksynthese in der Antwerpen-Rotterdam-Rhein-Ruhr-Region und deren Auswirkungen auf die Infrastrukturanforderungen untersucht. Es wurden drei Standorte betrachtet, die sich in einem Umkreis von 185 km befinden und gemeinsam eine Produktionskapazität von knapp 2 Millionen Tonnen pro Jahr aufweisen. Die Ammoniaksynthese nimmt in der chemischen Prozessindustrie eine zentrale Rolle ein und ist aufgrund des aktuell als Rohstoff verwendeten Erdgases auch einer der energie- und emissionsintensivsten Prozesse.

Die Europäische Kommission schlägt mit dem Green Deal einen ehrgeizigen Weg ein, der eine deutliche Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2030 und die Klimaneutralität bis 2050 zum Ziel hat. Gleichzeitig werden vom Industriesektor zahlreiche prozess- oder technologiespezifische Projekte initiiert, die von der Abtrennung und Speicherung (CCS) / Nutzung (CCU) von CO2 bis hin zum Ersatz fossiler Brennstoffe durch kohlenstofffreie Moleküle (z.B. grüner Wasserstoff) als Rohstoff und Energieträger reichen.

Heute sind Industriecluster in geografischer Nähe stark vernetzt und profitieren damit von gemeinsamen Infrastrukturen, wie z.B. Häfen, Pipelines und Stromnetzen – auch über Landesgrenzen hinweg. Was sind die Infrastrukturanforderungen der Zukunft für eine kohlenstoffneutrale chemische Industrie? Werden neue Infrastrukturen benötigt oder können bestehende Anlagen und Leitungen weiter verwendet werden? Das Erdgasnetz könnte zukünftig teilweise für den Wasserstoff- oder CO2-Transport genutzt werden, aber reichen die Kapazitäten aus, um die benötigten Mengen zu transportieren? Wie könnten Defossilierungspfade für die Energie- und Rohstoffversorgung großer Chemiestandorte aussehen, wenn diese auf erneuerbaren Gasen (Wasserstoff aus der Elektrolyse mit oder ohne Methanisierungsschritt, Biogas oder Synthesegas aus Biomasse) oder neuartigen und großtechnischen Verfahren (Methanpyrolyse, CCS) statt fossilen Energieträgern und Rohstoffen basieren? Welche Kompromisse müssen in der Übergangszeit zwischen fossiler Energieversorgung und stetig wachsendem Angebot an erneuerbarer Energie getroffen werden, um eine schnelle und kostengünstige Transformation zu begünstigen?

Das Forschungskonsortium untersuchte jeweils vier technisch machbare Wege zur Klimaneutralität der Ammoniakproduktion an den ausgewählten Standorten (Dormagen, Geleen, Antwerpen). Dabei wurden die Verwendung von Erdgas mit CCS (blauer Wasserstoff), netzgebundene Elektrolyse (grauer Wasserstoff), Belieferung mit grünem Wasserstoff und die Erzeugung von türkisem Wasserstoff im Vergleich mit dem konventionellen Verfahren untersucht.

Dabei wurden für eine Umstellung der Produktion entlang der Technologieoptionen die spezifischen Produktionskosten und die CO2-Emissionsreduktion in Abhängigkeit der erwarteten Entwicklung von Energieträger- und CO2-Kosten bis 2050 und darüber hinaus analysiert.

Als Ergebnis der trilateralen Forschungszusammenarbeit wurden die universellen Herausforderungen für die Standorten identifiziert sowie ein besseres Verständnis der individuellen Bedingungen entwickelt. Die Analysen zeigen die jeweiligen Anforderungen an die lokalen Versorgungsnetze auf, welche im Zuge der technologischen Defossilisierungsoptionen auftreten.

Der Pfad der Erdgasdampfreformierung gekoppelt mit CCS-Anwendung hat sich für alle drei Standorte als kostengünstige Option herausgestellt. Sie würde jedoch eine Infrastruktur für den Transport und eine langfristige CO2-Speicherung von etwa 2,7 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr erfordern. Dieser potenzielle Pfad stellt eine gemeinsame länderübergreifende Herausforderung in technischer, regulatorischer und gesellschaftlicher Dimension dar. Auf der anderen Seite könnten Hafen- oder Küstenstandorte wie Antwerpen Möglichkeiten für den künftigen Import von klimaneutralen Energieträgern bieten. Beispielsweise könnten Schiffsterminals umgestaltet oder der Zugang zu großen Offshore-Parks in der Nordsee ausgenutzt werden. Durch diese Maßnahmen könnte die zukünftige Energieversorgung der Industrieregion Antwerpen-Rotterdam-Rhein-Ruhr sichergestellt werden.

Die Dekarbonisierung industrieller Prozesse wird standortspezifische Lösungen erfordern, die aber regional und in diesem Fall trilateral realisiert werden müssen. Eine effiziente Nutzung bestehender in Kombination mit neuen Infrastrukturen kann die Transformation vorteilhaft begleiten. Für eine erfolgreiche industrielle Wende wird es entscheidend sein, über die räumlichen Grenzen eines Standortes und die politischen Grenzen hinauszublicken.

Eine Übersicht zu den Ergebnissen steht auf der DECHEMA-Medien Webseite in Form einer Präsentation zur Verfügung.

Ansprechpartner: Dr. Florian Ausfelder 

 

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