Die Prozesssimulation gehört schon heute zu den wichtigsten Werkzeugen bei der Entwicklung, dem Betrieb und der Optimierung von Verfahren in Chemie, Biotechnologie und Pharmaindustrie. Doch reichen die existierenden Werkzeuge aus, um den Ansprüchen der digitalisierten Industrie zu genügen? Das gerade erschienene Positionspapier „Prozesssimulation – Fit für die Zukunft?“ beschreibt kompakt und umfassend die derzeitige Situation und stellt zukünftige Herausforderungen dar. Zugleich formulieren die Autoren mögliche Lösungsansätze für eine zukünftige Simulationslandschaft als Bestandteil einer vernetzten Umgebung.
In den letzten Jahrzehnten wurden von wenigen Herstellern umfassende Programmsysteme entwickelt, die die chemische Industrie mit Prozesssimulationen unterstützen. Doch obwohl diese Systeme sehr vielfältig sind, existiert bis heute noch keine Simulationsumgebung, die alle Aspekte des Lebenszyklus eines Prozesses hinreichend gut abbilden kann. Deshalb ist die Prozessindustrie zusätzlich an offenen, modularen Lösungen für einzelne Aspekte des Lebenszyklus interessiert.
Das Konzept der autarken, geschlossenen Prozesssimulationen wird sich nach Ansicht der Experten zunehmend in ein offenes System flexibler Komponenten wandeln, das in eine digitale Infrastruktur eingebunden ist. Dazu sind transparente und umfassend akzeptiere Schnittstellen, die Anbindung weiterer Daten und eine zentrale Verwaltung konsistenter Stoffdaten sowie eine Öffnung der Architekturen notwendig.
In dem Positionspapier beschreiben die Experten, welche Vor- und Nachteile die gängigen Systeme bieten. Sie erläutern, welche Hürden etwa bei der Interoperabilität und der Verfügbarkeit von Schnittstellen die übergreifende Integration in einem Unternehmen erschweren. Auch die Durchlässigkeit über verschiedene Ebenen vom Apparatemodell bis zum gesamten Prozess und über die verschiedenen Abschnitte des Prozesslebenszyklus ist sehr begrenzt. Dazu kommen die Anforderungen beim Übergang hin zu dynamischen Prozessmodellen, die heute vielfach benötigt werden, und die die gängigen Systeme bisher nicht erfüllen.
Die notwendige Durchgängigkeit wird nach Auffassung der Experten vermutlich nicht in einem einzigen Simulationstool erreicht werden können. Deshalb sollte die Entwicklung intelligenter Softwarearchitekturen auf Schnittstellen und zentrale Modellverwaltungssysteme setzen. Datengetriebene Modelle werden die heutigen Ansätze zukünftig ergänzen bzw. ersetzen. Zusätzlich werden in dem Papier elementare Fragen der Datensicherheit und Robustheit angesprochen.
Der ProcessNet-Arbeitsausschuss Modellgestützte Prozessentwicklung und -optimierung beschäftigt sich mit Methodiken, Techniken und Anwendungen der Prozesssimulation, Prozesssynthese und -optimierung. Ein weiterer Fokus sind grundlegende Methoden und Techniken der Informations- und Wissensverarbeitung in der chemischen Technik. Der Fachausschuss versteht sich als fachgebundenes Forum zur Diskussion von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen, zum internen Erfahrungsaustausch insbesondere in der Anwendung verschiedenster CAPE-Tools sowie zur Fortbildung und zur Förderung von Nachwuchs auf den Gebieten dieser CAPE-Anwendungen. Er setzt sich aus Experten aus Wissenschaft und Industrieunternehmen zusammen.
Veröffentlicht: April 2021