Partikeltechnik wirkt als Brückenbildner
Erstellt von Kathrin Rübberdt , 31.05.2021
Der DECHEMA-Preis 2020 geht an Prof. Dr. Doris Segets von der Universität Duisburg-Essen für ihre wegweisenden Arbeiten zur Entwicklung einer Verfahrenstechnik ultrafeiner Partikel. In unserem zweiteiligen Interview befragten wir die Preisträgerin über ihre Arbeit, welche Herausforderungen die Partikeltechnik stellt und was sie antreibt. Im ersten Teil berichtete sie unter anderem über die Rolle von Nanopartikeln in der Energietechnik und die Hürden, die dafür zu überwinden sind. Heute im zweiten Teil geht es darum, wie neue Erkenntnisse in der Partikeltechnik gewonnen werden können und was Doris Segets zur ihrer Forschung motiviert.
Wie setzen Sie Hochdurchsatztechnologien in Ihrer Arbeit ein?
In Erlangen hatten wir einen Syntheseroboter, der Nanopartikel und Quantenpunkte automatisiert hergestellt hat. Er hat nicht nur sehr viel schneller gearbeitet, sondern auch mit einer Genauigkeit, die ein Mensch, wenn überhaupt, erst nach jahrelanger Praxis erreicht.
Jetzt in Duisburg konzentriere ich mich mit meinem Team auf Formulierungen und Rezepturentwicklung für Teilchen aus der Gasphasensynthese. Das können wir allerdings noch nicht automatisiert. Im Moment geht es darum, erst einmal die Denkweise zu entwickeln – in standardisierten Prozessen zu denken, klar herauszuarbeiten, wie sich Prozessparameter auf die Dispersität der Formulierung auswirken, wie groß und wie stabil die Teilchen sind. Hier müssen wir ein tiefes Verständnis aufbauen und gleichzeitig Standardarbeitsanweisungen für den Umgang mit solchen Materialien entwickeln, damit man eine Vergleichbarkeit bekommt. Wir haben schon gute Methoden entwickelt, um Batteriepasten und Brennstoffzelltinten, die neue Materialien enthalten, zu charakterisieren. Im nächsten Schritt geht es darum, das Gleiche auch für die daraus hergestellten Elektrodenschichten zu tun. Wenn man dann in der Lage ist, Schichten gut zu beschreiben, geht es im allerletzten Schritt um Performance - wie gut arbeitet die Schicht, wie stabil ist sie im Dauerbetrieb z.B. auf der Ebene der Membran-Elektrodeneinheit, d.h. getestet im Device - und dann rückzuformulieren. Kurz: Wie muss eine Elektrode für einen Elektrolyseur oder eine Brennstoffzelle mit maximaler Performance eigentlich aussehen? Wie sieht die optimale Elektrodenstruktur aus, wo muss viel Aktivmaterial sein, wo weniger, wie muss die Porenratenverteilung gestaltet sein – all diese Aspekte, d.h. die zugrunde liegenden Struktur-Eigenschaftsbeziehungen kennen wir noch nicht. Wenn wir diese gefunden haben, können wir überlegen, wie die Partikel dafür „gebaut“ werden müssen und wie man aus diesen Grundbausteinen eine gute Schicht erzeugt.
Wie weit kann schon von gezieltem Design von Nanopartikeln sprechen – sind die Struktur-Wirkungs-Beziehungen schon gut genug verstanden?
Ich würde sagen, es kommt auf die Anwendung an. Wenn es um farbige Teilchen geht wie Quantenpunkte oder Edelmetalle - man will ein schönes Rot oder Blau haben – ist es mindestens empirisch verstanden. Für die elektrochemisch aktiven Teilchen ist es ziemlich unbekannt. Man hat ein paar Ansatzpunkte: Eine Kohlenstoffhülle mag gut sein, eine passivierte Oberfläche, man muss Nanomaterialien vielleicht nochmal verpacken, zum Beispiel durch Sprühtrocknung, um größere Strukturen aus kleineren aufzubauen… aber da stehen wir eigentlich eher am Anfang.
Wie sind Sie auf die Partikeltechnik gekommen?
Durch Zufall: Ich habe Chemie- und Bioingenieurwesen studiert und wollte meine Studienarbeit in der Bioverfahrenstechnik machen. Es war alles schon vereinbart, und dann hat sich der Betreuer nicht mehr gemeldet, er hat mich wohl vergessen. Meine zweite Option war die Partikeltechnik – dort habe ich dann angefangen. Und dann hat es mir so viel Spaß gemacht, dass ich dabeigeblieben bin – es war einfach meins. Im Nachhinein bin ich unglaublich dankbar über diese Kombination aus Zufall und Glück.
Und wie haben Sie dann zu den Energieanwendungen gefunden?
Spannend fand ich die elektrochemischen Anwendungen schon immer. Und sie sind im Kontext der Energiewende extrem wichtig. Wenn ich Forschung betreibe, möchte ich sagen können, dass das, was ich mache, die Welt potenziell besser macht. Dadurch, dass mich Partikel und Grenzflächen interessieren, bin ich grundsätzlich für alle Anwendungen offen und kann auch gut unterschiedliche Bereiche verbinden. Die Denkweise und die Methodik ist die Gleiche, ob für Pharma und Bio, für organische oder für nicht elektrochemisch aktive anorganische Teilchen.
Am Standort Duisburg ist die Elektrochemie sehr stark, von der Synthese bis zu Testständen und der Charakterisierung auf Zellebene. Da konnte ich mich einfach „dazwischensetzen“ – dort sitzt die Partikeltechnik eigentlich immer. Wir sind nie diejenigen, die das neue Material entwickeln, wir sind immer die, die es dann weiterverarbeiten. Ich glaube, solche Brücken schlagen und Verbindungen herstellen, kann ich gut.
Wenn Sie einen Wunsch an die „gute Fee“ der Wissenschaft frei hätten, was wäre das?
Als allererstes würde ich die gute Fee bitten, das Formulierungsproblem zu lösen. Wie entwickle ich eine Rezeptur – unabhängig von der Anwendung? Das Aktivmaterial kann biologisch, organisch oder anorganisch sein, und man wüsste einfach, welches Lösemittel, welche Additive, welche Zusätze man einsetzen muss. Das würde uns wirklich weiterbringen, denn hier versickert zur Zeit viel Innovation. Tolle Dinge, die in der Chemie entwickelt werden, versanden, weil man es nicht schafft, sie gut zu prozessieren.
Vielleicht hat die gute Fee einen guten Tag und ich darf mir etwas zweites wünschen: Dass man optimal strukturierte Schichten designen kann, weil man weiß, welche Struktur das Maximum an Performance liefert. Das wäre dann ganz speziell für unser Klimaproblem wichtig.
Was treibt sie persönlich an?
Man hat ja viele unterschiedliche Rollen und führt unterschiedlichste Gespräche: Hochschulpolitisch, als Forschungsmanagerin, bis zur Arbeitssicherheit oder kleinteilige Abläufe bis in die Untiefen der Verwaltung. Am schönsten für mich ist es, ein fachliches Gespräch mit MitarbeiterInnen zu führen, bei dem wir über Ergebnisse sprechen und im Verlauf der Diskussion etwas Neues lernen. Da hält für mich nach wie vor die Freude am längsten vor.
Der zweite Punkt, der mich trägt, ist, die Entwicklung von MitarbeiterInnen zu beobachten. Wenn ich sehe, wie sich jemand in der gemeinsamen Arbeit weiterentwickelt und sowohl als Wissenschaftler wie als Persönlichkeit reift, wie jemand plötzlich in der Lage ist, Dinge zu verstehen, Experimente gut zu planen, sich in einer Diskussion zu behaupten – wenn ich dabei eine Rolle spielen konnte, dann hat das für mich einen großen Wert.
Die Verleihung des DECHEMA-Preises 2020 findet am 5. Juli 2021 an der Universität Duisburg-Essen statt. Die Veranstaltung wird online übertragen. Die Teilnahme ist kostenfrei; bitte melden Sie sich an unter https://dechema.de/DECHEMA_Prize_2020.html
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