DECHEMA-Blog

New Work im New Normal: Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der Coronakrise

Erstellt von Simone Angster , 18.05.2022

Am 11. Mai luden DECHEMA und Deutschlands größter Führungskräfteverband Chemie VAA zum Kolloquium „New Work im New Normal. Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der Corona-Pandemie“ ein. Vorgestellt wurden die Ergebnisse der jüngsten Mitgliederbefragung des VAA unter Führungskräften zum Thema New Work. Fazit der über 1000 Umfrageteilnehmenden: Kommunikation ist im New Normal wichtiger denn je.

Dass Corona als Beschleuniger der neuen Arbeitswelt gilt, dürfte kaum infrage gestellt werden. Eine Vielzahl von Studien beschreibt, was ein Großteil der Erwerbstätigen seit nahezu drei Jahren erlebt. Die jüngste Mitgliederbefragung des VAA durch des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation beleuchtet das New Normal nun aus Perspektive von Führungskräften. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden im Rahmen eines Kolloquiums am 11. Mai im DECHEMA-Haus in Frankfurt präsentiert – umrahmt von Beiträgen aus Industrie und Wissenschaft. Dabei ging es um Fragen wie „Wie gestalten sich Entscheidungsprozesse? Wie sehr braucht es den persönlichen Kontakt zu den Mitarbeitenden, um den Führungsaufgaben nachzukommen? Was bedeutet New Normal?“

Über 1000 Befragte aus Sicherheit, Produktion, Wissenschaft und Beratung nahmen an der Online-Befragung teil und gaben Einblicke in ihre Erfahrungen. Dabei zeigt sich, dass New Work zu einem Sammelbegriff avanciert, der mehrere Strömungen abdeckt und zu unterschiedlichen Graden in den Firmen gelebt wird. Nach heutigem Verständnis umfasst New Work nicht mehr nur das Arbeiten fernab des Büros. Der Ausdruck begreift Arbeit ebenso als ein Ort, an dem man sich sinnstiftend einbringen kann, der Partizipation jenseits von Hierarchie ermöglicht und Nachhaltigkeit fördert.

Das klassische Verständnis von New Work hat längst in jedem Büro Einzug gehalten: Im Alltag zeigt sich, dass 93,4 % der Befragten mobil im Inland arbeiten und dies auch für sinnvoll halten. Ausschließlich daheim zu arbeiten, lehnt hingegen über die Hälfte der Befragten aus der Führungsriege ab. Auch dem mobilen Arbeiten aus dem EU-Ausland steht die Mehrheit der Befragten eher skeptisch gegenüber. Während 34,5 % diese Möglichkeit unterstützen, sind knapp 51 % der Führungskräfte gegen diese Option.

Einheitlicher sieht das Meinungsbild bei der Frage nach dem Einsatz von Collaboration-Tools aus: Fast 90 % der Führungskräfte nutzen diese täglich, um mit Mitarbeitenden und Kolleg:innen zu kommunizieren. Dabei wird deutlich, dass das Thema Kommunikation trotz oder gerade wegen der umfangreichen Tool-Landschaft verstärkt in den Fokus rückt. „Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation und die neue Technik beherrschen. Das wird in Zukunft ein dauerhaft wichtiges Thema“, so die Einschätzung von Salvatore Ruggiero, Vice President Marketing and Communication der SCHOTT AG. SCHOTT nimmt sich seit 15 Jahren dem Thema New Work an. Vorbehalte, dass die Produktivität leidet, haben sich nicht bestätigt. Jedoch so Ruggiero: „Wo Licht ist, ist auch Schatten“: Positiv wahrgenommen werden zu einem die erhöhte Produktivität bei operativen Tätigkeiten, erhöhte Flexibilität für Arbeitnehmende, die Stärkung der digitalen Kompetenzen und vor allem Zugang zu Talenten durch höhere Mobilität am Arbeitsmarkt. Negativ ins Gewicht fallen verringerte Kreativität im virtuellen Kontext. Man bemerkte, dass der Team-Zusammenhalt auf Dauer leidet, eine erhöhte Fluktuation durch verringerte Bindung sowie die Vermischung des Berufs- und Privatlebens stattfinden. Darüber hinaus war ein erhöhtes Spannungsfeld zwischen Produktion und Verwaltung das Ergebnis von New Work bei SCHOTT. Während die Verwaltung die Vorzüge von mobilem Arbeiten in Anspruch nahm, blieb der Produktion diese Möglichkeit zwangsläufig verwehrt. Dies wurde zu Beginn in der Kommunikation nicht berücksichtigt und führte zu Diskrepanzen.

In Hinblick auf die Spannungen wählte SCHOTT einen offenen Umgang mit der Fehlerkultur. Man adressierte das Problem in einer Mitarbeiterbefragung und sieht als Lösungsstrategie den Umgang mit dem Menschen im Mittelpunkt. Der Produktionsbereich bekommt Sozialräume, damit ein Austausch zustande kommt. Überhaupt soll das Büro-Konzept neu verstanden werden: „Es gibt kein Konzept, das für alle passt“, so Ruggiero. Das Büro fungiere als Begegnungsstätte, an der man sich trifft und sieht, ein kollaboratives Umfeld mit flachen Hierarchien. So plant auch der Vorstand in den Open Space zu gehen. Mobiles Arbeiten wird den Mitarbeitenden weiterhin ermöglicht und ergänzt das Konzept. Der persönliche Kontakt als Schlüssel zum Erfolg. Klaus-Peter Stiller, Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC), betont geleichermaßen: „Arbeit ist ein social Event.“ Das Zugehörigkeitsgefühl und Netzwerkgefüge entstehe face-to-face viel schneller.

Eine ähnliche Stimmung fing die Mitgliederbefragung des VAA ein. Den Führungskräften ist es wichtig, trotz der physischen Distanz in engem Austausch mit den Mitarbeitenden zu stehen. Doch dies ist herausfordernd in der Umsetzung und für rund 30 % der Befragten nicht immer machbar. Zudem bemängeln manche Führungskräfte den Verlust der Kreativität im virtuellen Raum. Josephine Hofmann, Fraunhofer IAO, hält dagegen: Das Medium sei nicht das Problem. Letztendlich sei es eine Frage der Gestaltung. Das Hauptproblem sieht sie in der fehlenden Verbindlichkeit. Kreativität entsteht, wenn alle voll und ganz dabei sind. Die Frage ist: Wie gestaltet man solche Meetings?

All dies kann Auswirkungen auf bestehende Strukturen und die Führungskultur haben. Bei Kuraray hat man sich bewusst für die kulturelle Transformation entschieden, denn Änderung beginnt beim Top-Management. In diesem Sinne wurden Führungskräfte jahrelang gecoacht und an einer Kultur der Trust Relationship gearbeitet. Man stellte Führungskräfte ein, die gleichermaßen Transformationsmanager sind. Man habe „Elefanten-Prozesse“ mit sich getragen und müsse im Team agil und flexibel aufgestellt sein. „Heutzutage müssen wir andere Sachen honorieren: Wir brauchen Pinguine – Leute, die ins kalte Wasser springen“, so Matthias Gutweiler. Dem Thema Veränderung schreibt auch ein Gros der Mitglieder des VAA in Zukunft mehr Bedeutung zu. In einer hybriden Arbeitswelt interpretieren 65 % die Rolle einer Führungskraft gleichermaßen als Veränderungsbegleiter.

An der Online-Befragung nahmen insgesamt 1.019 Mitglieder des VAA teil. Mit 25,6 % stammt ein Gros der Befragten aus Forschung und Entwicklung, 13,1 % gehören Produktsicherheit, technischer Überwachung, HSEQ Regulatory und Affairs sowie 11,2 % der Produktion an.


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Bildquelle: VAA – Führungskräfte Chemie

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