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03.05.2024

Welche Infrastrukturen benötigt die Wasserstoffwirtschaft bis 2050?

Wasserstoff ist nur dann förderlich für die Energiewende, wenn die zeitliche und räumliche Verfügbarkeit den jeweiligen Bedarfen entspricht. Ein White Paper des Wasserstoff-Leitprojekts TransHyDE-Systemanalyse des BMBF, koordiniert von Fraunhofer IEG und der DECHEMA e.V. stellt Angebot und Nachfrage einander gegenüber. 

Europa wird einen Mindestbedarf von 700 TWh Wasserstoff in 2050 haben. Stahl- und Chemieindustrie werden dann die großen Treiber einer Wasserstoffwirtschaft sein und eine große Nachfrage nach Importen und Elektrolyseuren erzeugen. Um die auseinanderliegenden Zentren von Produktion, Speicherung und Verbrauch zu verbinden, braucht es ein europaweites Pipelinenetz. Zu diesen und weiteren Erkenntnissen kommt das aktuelle White Paper des Wasserstoff-Leitprojekts TransHyDE-Systemanalyse des BMBF, koordiniert von Fraunhofer IEG und DECHEMA e.V.

Betrachtet haben die Forschenden die Nachfrage von Industrie, Haushalten und Transportsektor. Nach 2030 erwarten sie erhebliche Kostensenkungen bei grünen Energieträgern, doch würden diese nicht reichen, um Niedertemperatur-, Heiz- und Prozesswärme wirtschaftlich zu erzeugen. Insgesamt haben die Forschenden einen Mindestbedarf von 700 TWh gasförmigem Wasserstoff für Europa und Großbritannien im Jahr 2050 ermittelt. Wasserstoff ist nur dann förderlich für die Umsetzung der Energiewende, wenn die zeitliche und räumliche Verfügbarkeit den jeweiligen Bedarfen entspricht. Wasserstoff wird demnach vor allem bei Hochtemperatur- und energieintensiven Prozesswärmeanwendungen benötigt, sowie als Rohstoff in der Industrie und der zentralen Strom- und Fernwärmeerzeugung. 

Stahl- und Chemieproduktion mit großem Wasserstoffbedarf 

Im Industriesektor seien es vor allem die Stahlerzeugung und damit verbundene Hochtemperaturprozesse, die allein mit 200 bis 300 TWh Wasserstoff-Bedarf zu Buche schlügen. Vorteil: Die Stahlindustrie benötige große Mengen klimaneutralen Wasserstoffs, könne aber auch flexibel auf Mischungen von Wasserstoff mit Erdgas umsteigen, was eine kontinuierliche Transformation unterstütze.

Auch die chemische Industrie könne eine wichtige Triebfeder für den Ausbau der europäischen Wasserstoffinfrastruktur darstellen. Denn die Produktion von grünem Ammoniak oder hochwertigen Chemikalien benötige große Mengen an Wasserstoff. Co-Koordinator Mario Ragwitz, Institutsleiter am Fraunhofer IEG: »Allerdings ist es ungewiss, ob die komplette Wertschöpfungskette von Sonnen- und Windstrom über die Wasserstoffproduktion bis zur Produktion verschiedener Chemikalien in Europa realisiert werden kann. Importe von Zwischenprodukten wie grünem Methanol oder Ammoniak könnten die Nachfrage nach Wasserstoff im europäischen Industriesektor reduzieren. Daher wurden diese Sensitivitäten im Rahmen von TransHyDE betrachtet.« 

Transportwesen als zweitwichtigster Abnehmer 

Zweitwichtigster Abnehmer von Wasserstoff sei das Transportwesen. Co-Autor Christoph Nolden, Geschäftsbereichsleiter Netze, Energie- & Verfahrenstechnik am Fraunhofer IEG: »Der internationale Flug- und Schiffsverkehr ist auf synthetische Kraftstoffe, die auf Wasserstoff basieren, angewiesen. Dies erzeugt einen Wasserstoffbedarf von insgesamt 450 TWh für grüne Kraftstoffe in 2050. Größter Unsicherheitsfaktor im Transportsektor ist der Wettbewerb zwischen der direkten Elektrifizierung und dem Antrieb durch Wasserstoff per Brennstoffzelle in Schwerlast-LKWs. Verschiedene Szenarien zeigen einen zusätzlichen Bedarf von bis zu 380 TWh in 2050, wenn 40% der Schwerlast-LKWs mit Brennstoffzellen ausgestattet wären.« 

Produktion von Wasserstoff in Europa 

Die Produktion von Wasserstoff in Europa hänge – so die Forschenden – davon ab, ob die ambitionierten Ziele zum Ausbau von europäischen Wind- und Solaranlagen erreicht würden.

Die Rolle der Elektrolyse in der Sektorkopplung werde sich, so Co-Koordinator Florian Ausfelder, Fachbereichsleiter Energie und Klima bei der DECHEMA e.V. während des Markthochlaufs erheblich entwickeln: »Zunächst werden Elektrolyseure in Cluster integriert, um die sichere und kontinuierliche Lieferung von Wasserstoff für die industrielle Nutzung zu gewährleisten. Sobald die Wasserstoffinfrastruktur etabliert ist, können Elektrolyseure in das Netz einspeisen und gleichzeitig Flexibilität im Stromnetz bieten: So können Netzbetreiber Elektrolyseure einsetzen, um den Ausbaubedarf des Stromnetzes und damit Kosten zu reduzieren.« Zu beachten bliebe: Gerade zu Beginn des Markthochlaufs könne grüner Wasserstoff fehlen, um den Bedarf zu befriedigen. Während dieser Phase müssten Alternativen wie blauer Wasserstoff den bestehenden Bedarf decken. 

Transport und Speicherung von Wasserstoff und seinen Derivaten 

Co-Autor Tobias Fleiter, Leiter des Geschäftsfelds Nachfrageanalysen und -projektionen beim Fraunhofer ISI: »Die Versorgungssicherheit und die Transformation in eine Wasserstoff-Wirtschaft hängen auch vom Ausbau der entsprechenden Transport- und Speicherinfrastruktur ab. Die Modellierungsergebnisse zeigen, dass ein geeignet dimensioniertes Wasserstoff-Kernnetz die Versorgung der Wasserstoff-Nachfrage bei minimalen Gesamtsystemkosten ermöglicht.« Das Kernnetz könne die potentiellen Erzeuger von Erneuerbaren Energien, vor allem im europäischen Norden und Süden, mit den unterirdischen Speichern und Industriezentren in Mitteleuropa verbinden.

Co-Autorin My Yen Förster, DECHEMA e.V.: »Die Umnutzung ehemaliger Erdgaspipelines spielt eine entscheidende Rolle in der Transformation des deutschen und europäischen Energiesystems. Die Forschungsergebnisse bestätigen, dass mit dieser Umnutzung die Versorgungsanforderungen in verschiedenen Szenarien befriedigt werden können. Importe aus Nicht-EU Ländern scheinen dann besonders wettbewerbsfähig zu sein, wenn sie an Pipelines gebunden sind.« Pipelinegebundene Einfuhren könnten über die MENA-Region (Mittlerer Osten und Nordafrika) erfolgen. Importe von Wasserstoffderivaten oder Zwischenprodukten, wie Ammoniak oder Eisenschwamm seien voraussichtlich kostengünstiger als ihre Produktion in Europa. 

Beteiligte Partner 

Zum White Paper beigetragen haben neben der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG und der DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. auch Mitarbeitende von: Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH, Forschungsstelle für Energiewirtschaft FfE, Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, VNG AG, Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut, Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme gGmbH, Technische Universität Berlin, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Das Leitprojekt TransHyDE wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

 

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