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Oberflächen aller Art wurden mit Aminofunktionalität versehen, indem aus wässriger Lösung eine dauerhafte, molekular dünne Polymerschicht aufgebracht wurde. Dazu wurden cyclische funktionalisierte Carbonate mit geeigneter Haftgruppe synthetisiert. Mit diesen wurden wasserlösliche Polyamine wie Polyethylenimine, Chitosane und Keratinpolypetide polymeranalog modifiziert. Die entstandenen funktionalisierten Polymere adsorbieren praktisch irreversibel auf einer Vielzahl von Oberflächen. Ihre überschüssigen Aminogruppen erzeugen dann eine neue Oberflächenreaktivität.
Der Grad der Aminofunktionalisierung wurde durch Bestimmung der Kontaktwinkel, durch die Untersuchung der Elementzusammensetzung der Oberfläche mittels Photoelektronenspektroskopie und durch die Visualisierung der Aminogruppen durch kovalente Markierung mit Fluoreszenzfarbstoffen nachgewiesen. Die reaktiven Aminogruppen der Beschichtung stehen für weitere Modizifierungsreaktionen zur Verfügung.
Hochverzweigte Polyethylenimine (PEI) mit molaren Massen von 1.3 kDa und 25 kDa wurden mit Ammoniumfunktionalisiertem Carbonatkoppler (QI) gezielt modifiziert; im Produkt lagen 5 % bzw. 10 % aller vorhandenen primären Aminogruppen quaternisiert vor. Das modifizierte PEI wurde auf plasma-aktivierte PET-Oberflächen aufgebracht. Dabei konnte ein Einfluss der molaren Masse und des jeweiligen Quaternisierungsgrads auf die Schichtdicke der fest gebundenen PEI-Derivate festgestellt werden. Dies wird auf die unterschiedlich starken Änderungen in der Konformation der PEI als Folge der Einführung zusätzlicher positiver Ladungen je Molekül zurückgeführt: Das "kleine" PEI (1.3 kDa) hat nur eine bis maximal drei kationische Gruppen je Molekül. Eine erhöhte Anzahl von angebotenen negativen Ladungen an der Oberfläche führt zu stärkerer Belegung mit zusätzlich gebundenen kleinen PEI-Molekülen. Dadurch entsteht eine höhere Filmdicke.
Beim "großen" PEI dagegen ergeben sich klare Effekte durch die unterschiedlich starke Quaternisierung. Eine höhere Anzahl von positiven Ladungen je Molekül bewirkt die Einführung einer höheren Anzahl an Bindungsstellen für PEI an der aktivierten PET-Oberfläche. Dementsprechend kann der restliche Molekülteil insgesamt nur kürzere bzw. weniger "Loops" ausbilden, so dass ein flacherer Film resultiert.
Die direkte Umsetzung der Chitosanderivate mit dem Ammonium-funktionalisierten cyclischen Koppler QI war nicht erfolgreich. Als mögliche Ursachen kommen eine sterische Hinderung oder auch mangelnde Nukleophilie der Aminogruppe am Glucopyranosering in Frage. Zwischenzeitlich wurde das Spektrum an verfügbaren Kopplern weiterentwickelt. Dadurch gelang es, neue multifunktionale, wasserlösliche, grenzflächenaktive Chitosantenside herzustellen. Diese weisen Ansätze einer bemerkenswerten antimikrobiellen Aktivität gegenüber E.coli und B.subtilis auf, die über das für Chitosan bekannte Maß hinausgeht.
In weiteren Untersuchungen wurden wasserlösliche Keratin-Derivate durch den a-Chymotrypsin-katalysierten Abbau von α-Keratosen hergestellt und durch reverse Proteolyse mit Lysin angereichert. Als Katalysatoren dienten Trypsin und Papain. Mehrere modifizierte Peptide mit bis zu sieben zusätzlichen Lysinmolekülen konnten weitgehend identifiziert werden.
Die generelle Struktur dieser Lysin-angereicherten α-Keratose-Peptide entspricht in wesentlichen Merkmalen der Struktur von antimikrobiell wirksamen Peptiden. Dennoch wurde für keines der eingesetzten Keratose-Präparate beim Wachstumstest eine signifikante Hemmung von E. coli oder B. subtilis festgestellt. Vermutlich ist der Anteil an hydrophoben Aminosäuren in den kurzkettigen α-Keratose-Peptidketten zu gering, um eine ausreichende Amphiphilie und somit eine Wechselwirkung mit der Bakterienmembran zu erzielen. Die direkte Umsetzung in einer ringöffnende Reaktion am quaternären Koppler mit der Modellsubstanz Lysinethylester gelang wie bei den Chitosanen nicht. Daher konnten keine quaternären Ammoniumgruppen eingeführt werden.
Stattdessen wurde die Fraktion der wasserlöslichen, chymotryptischen α-Keratose-Peptide mit überdurchschnittlich hohen Anteilen der basischen Aminosäuren Arginin und Lysin verwendet. Es wurde überprüft, inwieweit sie sich ohne Quaternisierung mit cyclischen Carbonatkopplern QI dazu eignet, als Polyelektrolytkomplex an Oberflächen aus synthetischen Polymeren wie PET und Filme aus Acryl-/Methacryl-Harz für Otoplastiken zu binden. Es entstanden fest adsorbierte Schichten von 1 bis 2 nm Dicke, die sich auch im stark alkalischen Bereich bei pH 11 nicht ablösen ließen. Die Stabilität der Beschichtung ohne zusätzliche Quaternisierung wird darauf zurückgeführt, dass Aminogruppen der Seitenketten von Arginin und Lysin in weiten pH-Bereichen protoniert vorliegen. Damit ermöglichen sie eine stabile Polyelektrolytkomplexbindung der Peptide an die PET-Oberfläche.
Insgesamt bilden sowohl die polykationisch modifizierten PEI als auch die nicht modifizierten α-Keratose-Peptide eine molekular dünne Schicht. Die Polyamine sind dabei permanent adsorbiert, und die Schicht bleibt auch nach drastischen Reinigungsschritten unversehrt.
Bearbeitet wurde das Forschungsthema von 05/06 bis 04/08 am Deutschen Wollforschungsinstitut an der RWTH Aachen e.V. (Pauwelsstraße 8, 52074 Aachen, Tel.: 0241/80-233-00) unter Leitung von Dr. A. Körner (Leiter der Forschungsstelle Prof. Dr. M. Möller).