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Durch die Zusammenarbeit von vier Forschungsstellen konnte ein Berechnungspaket erstellt werden, mit dem Dichten, osmotische Drücke und Löslichkeiten von Biomolekülen wie z.B. Aminosäuren oder Osmolyten in wässrigen sowie auch in salzhaltigen Medien ermittelt werden können.
Zunächst wurden mittels Dampfdruckosmometrie osmotische Koeffizienten bzw. osmotische Drücke in Systemen aus Wasser, einer Aminosäure (Alanin/Glycin/Valin/Prolin) und 1- bzw. 3‑molalen Salzlösungen (NaCl, KCl, NaNO3, KNO3, (NH4)2SO4) über einen großen Konzentrationsbereich der Aminosäuren vermessen. Gleichzeitig wurden auch die Löslichkeiten der Aminosäuren in diesen Systemen bestimmt. Außerdem wurden die osmotischen Koeffizienten bzw. osmotische Drücke in Systemen aus Wasser, einer Aminosäure (Glycin/Valin) und 0,5‑ bzw. 1‑molalen Salzlösungen (LiCl, NaCl, KCl, LiBr, NaBr, KBr, LiI, NaI, KI, NaNO3, (NH4)2SO4) über einen moderaten Konzentrationsbereich der Aminosäuren vermessen. Auch die osmotischen Koeffizienten von Osmolytlösungen (ohne Additive, mit Salzen, mit Biomolekülen, mit Aminosäuren) wurden bestimmt. Dadurch ist eine derzeit weltweit führende experimentelle Datensammlung für diese Lösungen entstanden.
Mit Hilfe von Molekulardynamik-Simulationen ist es erstmals gelungen, die Thermodynamik binärer Wasser/Osmolyt- und ternärer Wasser/Osmolyt/Aminosäure-Mischungen quantitativ vorherzusagen. Die Übereinstimmung mit den experimentellen Daten war dabei zufriedenstellend. Zunächst mussten dazu die Force-Fields aller beteiligten Stoffe neu parametriert werden, da die Genauigkeit der bereits veröffentlichte Sätze - bezogen auf die Thermodynamik - nicht ausreichend war.
Außerdem ist es gelungen, den Grund für das hochgradig nicht-ideale Mischungsverhalten von dipolar/hydrophoben Osmolyten in Wasser zu finden: Effektive Osmolyte sind chemisch so ausgestattet, dass sie eine möglichst hohe Hydrophobizität und gleichzeitig einen dipolaren Charakter aufweisen. Es konnte außerdem eine molekulare Erklärung für die hohen positiven Stabilisierungswerte von Osmolyten und eine nahezu lineare Korrelation zwischen diesen und den Solutaktivitätskoeffizienten ermittelt werden. Damit lässt sich erstmals verstehen, weshalb dipolar/hydrophobe Osmolyte mit zunehmender Anzahl von Methylgruppen ein zunehmend nicht-ideales Mischungsverhalten aufweisen und gleichzeitig in zunehmendem Maße Protein-stabilisierend wirken, während bei Harnstofflösungen exakt das Gegenteil auftritt.
Basierend auf den experimentellen Daten und den theoretischen Erkenntnissen wurden die Osmolyte dann mit der PC-SAFT Zustandsgleichung modelliert und parametriert. Mit dieser Gleichung können nun vorhersagende Berechnungen in Vielstoffsystemen durchgeführt werden. Die Eigenschaften von wässrigen Multisolutlösungen (Aminosäure/Salz, Osmolyt/Salz, Aminosäure/Osmolyt) mit ePC-SAFT können quantitativ vorausberechnet werden. Dazu sind außer den Parametern der binären Teilsysteme Wasser/Solut für die Berechnungen keine weiteren anpassbaren Parameter notwendig.
Zum Schluss wurden die Ergebnisse in einem Demonstrationsprogramm zusammengefasst. Damit können Eigenschaften in wässrigen Lösungen mit bis zu 5 Soluten berechnet werden. Zur Auswahl stehen 120 Salze und 30 Biomoleküle (Aminosäuren, Peptide, Osmolyte). Es können nun Löslichkeiten (z.B. für Kristallisationsprozesse), Dichten (für Volumenstromberechnungen oder Auslegung von Behältern) und osmotische Drücke (z.B. für VLE- oder Aktivitätskoeffizientenberechnungen zur Auslegung von Osmoseverfahren) berechnet werden.
Bearbeitet wurde das Forschungsthema vom 01/10 bis 02/12 von der Technischen Universität Dortmund, Fakultät Bio- und Chemieingenieurwesen, Lehrstuhl für Thermodynamik (Emil-Figge-Str. 70, 44227 Dortmund, Tel. 0231/755-2635) unter der Leitung von Prof. Dr. G. Sadowski (Leiter der Forschungsstelle Prof. Dr. G. Sadowski), der DECHEMA e.V., (Theodor-Heuss-Allee 25, 60486 Frankfurt, Tel.: 069/7564-244) unter der Leitung von Dr. R. Sass (Leiter der Forschungsstelle Prof. Dr. K. Wagemann), der Universität Regensburg, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie (Universitätsstr. 31, 93053 Regensburg, Tel.: 0941/943-4044) unter der Leitung von Prof. Dr. W. Kunz ( Leiter der Forschungsstelle Dr. Chr. Blomeyer), der Technischen Universität München, Physik-Department, T 37 Lehrstuhl für Physik II (James Franck Straße, 85748 Garching) und Freie Universität Berlin, Institut für Theoretische Physik (Arnimallee 14, 14195 Berlin, Tel. 030/838-55737) unter der Leitung von Prof. Dr. R. Netz (Leiter der Forschungsstelle Prof. Dr. P. A. Alt).