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Bis zu 80 % der Kinder im Alter von 7 bis 13 Jahren weisen Anzeichen einer Haltungsschwäche auf. Unbehandelt können sich daraus gefährliche Wirbelsäulenerkrankungen wie z.B. Skoliose entwickeln. In Deutschland sind ca. 125.000 Kinder betroffen. Die mit der Erkrankung verbundenen Veränderungen der Wirbelsäule können durch Schmerzen und verminderte Beweglichkeit die Lebensqualität beeinträchtigen und in schweren Fällen durch die Deformation des Brustkorbes auch zu Funktionseinschränkungen von Herz und Lunge führen.
Eine frühzeitige Therapie kann den Kindern operative Eingriffe ersparen. Neben einer speziellen Physiotherapie und Korsettbehandlung hat sich die gerätegestützte FED-Methode (Fixation, Elongation, Derotation) etabliert. Sie stützt sich auf vier Säulen: Mobilisierung der Gelenkverbindungen, Stimulation des Knochenwachstums, Kräftigung der Muskulatur und Verbesserung der sensormotorischen Kontrolle. Im Projekt wurden schrittweise technische und therapeutische Lösungen erarbeitet, um ein modernes, gerätegestütztes Therapieverfahren zu erreichen. Zentrale Innovationen sind dabei die Ergebnisse zum Modularen Design, zum Haltungs- und Therapiefeedback, zum Expertensystem sowie zur Synkopenprävention und Muskelfunktionsanalyse. Es ist gelungen, die Korrekturwirkung des Korsetts zu visualisieren. Die individuelle Anpassung des Korsetts am Patienten war bisher nur über wiederholtes Röntgen möglich, nun kann das Korsett gerätegestützt direkt am Patienten modelliert werden. Hierbei wird die Verschiebung der knöchernen Strukturen durch ein softwaregestütztes Wirbelsäulenmodell visualisiert. So entstand ein eindrucksvolles Funktionsmodell zur Veranschaulichung der Wirkungsweise des Korsetts zu Lehr- und Schulungszwecken.
Das Projekt zeigt, wie das Gerätekonzept zu modularisieren ist und wie Schnittstellen zu gestalten sind, damit ein Hersteller aus einem überschaubaren Baukasten eine breite Palette an kundenspezifischen Anforderungen bedarfsgerecht und ökonomisch erfüllen kann. Insbesondere Verbindungs- und Antriebselemente wurden dazu vereinfacht, gruppiert und standardisiert, so dass ein hohes Maß an Multifunktionalität erreicht wird. Durch geschickte Adaption des Modulbaukastens konnten die entwickelten Funktionsgruppen für das FED zu einem System für die Muskelfunktionsdiagnose kombiniert werden. Dieses Setup erschließt dem potentiellen Hersteller den absatzstarken Markt der Muskelfunktionsdiagnostik in Rehabilitation und Leistungssport. Die aufgezeigte Methodik minimiert den notwendigen Entwicklungsaufwand, um neue Anwendungsszenarien in Training und Therapie zu erschließen. Das sichert die nachhaltige Verwertung der Forschungsergebnisse in Form einer attraktiven Produktserie.
Bearbeitet wurde das Forschungsthema von 10/2016 bis 09/2018 an der Technischen Universität Dresden, Institut für Biomedizinische Technik (01062 Dresden, Tel.: 0351 / 463-35040) unter der Leitung von Dr.-Ing. Grzegorz Sliwinski (Leiter der Forschungseinrichtung Prof. Dr.-Ing. habil. Hagen Malberg), der Fraunhofer-Gesellschaft e.V., Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik, IWU, Chemnitz (Reichenhainer Str. 88, 09126 Chemnitz, Tel.: 0371 / 5397-1400) unter der Leitung von Dipl.-Ing. Michael Werner (Leiter der Forschungseinrichtung Prof. Dr.-Ing. Dirk Landgrebe) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Universitätsklinikum, Institut für Physiotherapie (Erlanger Allee 101, 07747 Jena, Tel. 03641 / 93-25201) unter der Leitung von Dr. phil. Steffen Derlien (Leiter der Forschungseinrichtung Prof. Dr. med. Ulrich C. Smolenski).