Trotz zuverlässiger und ausgereifter Fertigungsverfahren können kontaminierte oder mangelhaft vorbehandelte Fügeteiloberflächen zu Problemen in der Produktion und zum vorzeitigen Versagen von Klebungen führen. Jenseits der organisatorischen Qualitätssicherung (Personalfortbildung, Akkreditierung) besteht eine hohe Nachfrage nach wirtschaftlichen, prozessintegrierbaren Verfahren, die eine technische Qualitätssicherung und Qualitätsdokumentation während der Fertigung und Reparatur geklebter Glasverbunde ermöglichen. Vor diesem Hintergrund widmete sich das abgeschlossene IGF Vorhaben 20041 N der Erarbeitung eines industrieübergreifenden Qualitätssicherungskonzeptes für Glasklebungen und der Bereitstellung und Validierung In-Line-fähiger oberflächensensitiver analytischer Inspektionsverfahren.
Reinigungsprozesse vor dem Kleben sollen Oberflächenkontaminationen entfernen, die sich bei einer Weiterverarbeitung der Fügeteile negativ auf die Adhäsionseigenschaften oder auf die Langzeitbeständigkeit der Klebverbindung auswirken können.
Haftvermittler, Aktivatoren und Primer wirken als Bindeglied zwischen der gereinigten Glasoberfläche und dem Klebstoff und sie sollen eine beständige Adhäsion fördern sowie einer Degradation der Adhäsionszone durch Umwelteinwirkungen, wie zum Beispiel Feuchtigkeit oder UV-Strahlung, entgegenwirken.
Bei der Anwendung lösemittelhaltiger Produkte ist die Ablüftzeit ein qualitätsbestimmender Parameter. Wird der Fügeprozess ohne Einhaltung einer ausreichenden Ablüftzeit ausgeführt, kann dies zur Folge haben, dass Lösemittelbestandteile an der Fügeteiloberfläche verbleiben und es zu einer Verminderung der Haftung nachfolgend applizierter Schichten kommt. Andererseits kann ein Überschreiten der maximalen Ablüftzeit bei chemisch wirksamen Aktivatoren und Primern zu einer Verringerung der gewünschten chemischen Funktionalität führen und so die Qualität der Klebung vermindern. Darüber hinaus ist die Vermeidung einer zu großen Auftragsmenge von Haftvermittlern und Aktivatoren ein wichtiger qualitätsbestimmender Faktor bei der Herstellung lasttragender Glasklebungen.
Im Rahmen des abgeschlossenen IGF-Projektes Nr. 20041 N wurde exemplarisch gezeigt, wie sich unterschiedliche spektroskopische Verfahren im Rahmen eines Qualitätssicherungskonzeptes wirtschaftlich zur In-Line-Identifikation von Kontaminationen, zur Überprüfung der Reinigungswirkung und zur Identifikation der flächenbezogenen Auftragsmenge und der zeitabhängigen Aktivität von Mitteln zur Vorbehandlung auf Werkstatt- und Baustellenebene einsetzen lassen. Die Kosten für die verwendeten spektroskopischen Analyseverfahren sind angemessen und der Nutzen im Rahmen der Qualitätssicherung ist hoch.
Anhand eines Leitfadens mit einer „Schritt-für-Schritt-Anleitung“ wurde praxisnah aufgezeigt, wie sich die Ergebnisse des Vorhabens durch KMU in ein klebtechnisches Fertigungsszenario überführen und nutzen lassen.
Mittel- und langfristig bieten die Methoden der spektroskopischen Qualitätssicherung von Fügeteiloberflächen vor dem Kleben ein hohes Potenzial in vielen Wirtschafts- und Industriezweigen. Der Einsatz der Analysetechnik als digitale Prozesswerkezuge verringert den Aufwand für Produktionsfehler, Nacharbeit, Reklamationen und zerstörende Prüfungen. Die gesammelten Fertigungsdaten können in Datenbanken gespeichert und vernetzt werden und ermöglichen so den Aufbau einer systematischen Wissensbasis über erfolgreiche Klebprozesse.
Anwender der Klebtechnik, Klebstoffhersteller, Hersteller von Messgeräten und Softwareentwickler können von den Ergebnissen des Vorhabens profitieren und neue Geschäftsmodelle und Netzwerke technischer Innovation entstehen lassen.
Die Ergebnisse des Vorhabens tragen generell zur Erhöhung der Akzeptanz der ressourcenschonenden Leichtbau-Fügetechnik Kleben bei und leisten im Fahrzeugbau einen volkswirtschaftlichen Beitrag zur Sicherung der Mobilität, in der Bauindustrie einen Beitrag zum nachhaltigen und ressourcenschonenden Bauen und bei der Herstellung von Möbeln und optischen Geräten zur wirtschaftlichen Erschließung neuer Fertigungsverfahren für attraktive Produkte mit hoher Transparenz und Zuverlässigkeit.
Bearbeitet wurde das Forschungsthema von 11/18 bis 04/21 an der Fraunhofer-Gesellschaft e.V., Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) (Wiener Str. 12, 28359 Bremen, Tel. 0421/2246-451) unter der Leitung von Dr. Thorsten Fladung und der Technischen Universität Kaiserslautern, Arbeitsgruppe Werkstoff- und Oberflächentechnik (Erwin-Schrödinger-Straße, Geb. 58, 67663 Kaiserslautern, Tel. 0631/72053780) unter der Leitung von Franziska Zajonz.